1 BGE 108 V 217 - Bundesgerichtsentscheid vom 08.09.1982

Entscheid des Bundesgerichts: 108 V 217 vom 08.09.1982

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Sachverhalt des Entscheids 108 V 217

Der Bundesamt für Sozialversicherung (BAS) hat im Urteil vom 8. September 1982 i.S. Lüssi und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich festgestellt, dass ambulante Physiotherapie in der Regel die einfache und zweckmässige Massnahme ist, um die motorische Funktionstüchtigkeit einer gelähmten Person zu verbessern oder zu erhalten. Die Voraussetzung für eine solche Therapie besteht darin, dass sie unmittelbar auf die Beeinflussung der motorischen Funktionen gerichtet ist und nicht auf die Behandlung eines auf die Lähmung zurückgehenden sekundären Krankheitsgeschehens. Stationäre Physiotherapie wird nur gewährt, wenn eine besonders intensive Therapie erforderlich ist oder die ambulante Behandlung infolge spezieller Verhältnisse des Versicherten nicht durchgeführt werden kann.

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Details zum Bundesgerichtsentscheid von 08.09.1982

Dossiernummer:108 V 217
Datum:08.09.1982
Schlagwörter (i):Physiotherapie; Behandlung; Massnahme; Regel; Erwerbsfähigkeit; Funktionstüchtigkeit; Invalidenversicherung; Funktionen; Therapie; Rechtsprechung; Voraussetzung; Urteil; Voraussetzungen; Verhältnisse; Aufwand; Erwägungen; Lähmung; Verbesserung; Erhaltung; Möglichkeiten; Anspruch; Massnahmen; Leidens; Vorkehren

Rechtsnormen:

BGE: 100 V 39, 102 V 39

Artikel: Art. 2 Abs. 3 IVV, Art. 12 Abs. 1 IVG, Art. 12 Abs. 2 IVG, Art. 2 Abs. 1 IVV

Kommentar:
-

Entscheid des Bundesgerichts

Urteilskopf
108 V 217

47. Auszug aus dem Urteil vom 8. September 1982 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Lüssi und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich

Regeste
Art. 12 Abs. 1 IVG, Art. 2 Abs. 3 IVV.
- Bei einem gelähmten Versicherten, der grundsätzlich die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 3 IVV erfüllt, ist ambulante Physiotherapie in der Regel die einfache und zweckmässige Massnahme zur Verbesserung bzw. Erhaltung der Funktionstüchtigkeit, von der die Erwerbsfähigkeit abhängt.
- Stationäre Physiotherapie ist von der Invalidenversicherung nur dann zu gewähren, wenn die ambulante Behandlung infolge spezieller Verhältnisse des Versicherten nicht oder nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand durchgeführt werden kann oder wenn eine besonders intensive Therapie erforderlich ist, welche den Rahmen der Möglichkeiten ambulanter Behandlung qualitativ und quantitativ sprengt (Präzisierung der Rechtsprechung).

Erwägungen ab Seite 217
BGE 108 V 217 S. 217
Aus den Erwägungen:
1. a) Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des
BGE 108 V 217 S. 218
Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Art. 12 Abs. 2 IVG erteilt dem Bundesrat die Befugnis, die Massnahmen gemäss Abs. 1 von jenen, die auf die Behandlung des Leidens an sich gerichtet sind, abzugrenzen. Gestützt darauf wird in Art. 2 Abs. 3 IVV, der seit 1. Januar 1973 in Kraft steht, angeordnet, dass bei Lähmungen und andern Ausfällen von motorischen Funktionen Physiotherapie so lange weiter gewährt werden muss, "als damit die Funktionstüchtigkeit, von der die Erwerbsfähigkeit abhängt, offensichtlich verbessert oder erhalten werden kann".
Voraussetzung zur Übernahme einer solchen Therapie ist, dass die Massnahme unmittelbar auf die Beeinflussung der motorischen Funktionen gerichtet ist und nicht auf die Behandlung eines auf die Lähmung zurückgehenden sekundären Krankheitsgeschehens, wie beispielsweise Zirkulationsstörungen, Skelettdeformitäten oder Kontrakturen. Verspricht die physiotherapeutische Behandlung - dazu gehören stationäre und ambulante Physiotherapie - nur labiles pathologisches Geschehen zu mildern, so fällt sie nicht unter Art. 2 Abs. 3 IVV (BGE 100 V 39 Erw. 1c, ZAK 1978 S. 463 und 1977 S. 230). Physiotherapeutische Vorkehren, die sich lediglich auf die allgemeine Leistungsfähigkeit des Versicherten auswirken, aber die gestörten motorischen Funktionen nicht oder nicht massgeblich zu beeinflussen vermögen, gehen ebenfalls nicht zu Lasten der Invalidenversicherung. Dies ergibt sich im übrigen aus dem Grundsatz, dass Art. 12 Abs. 1 IVG - bei volljährigen Versicherten - keine umfassende Invaliditätsprophylaxe gewährt (BGE 102 V 39 Erw. 2).
b) Laut ständiger Rechtsprechung stellt ambulante Physiotherapie in der Regel die einfache und zweckmässige Massnahme dar, wenn für die Verbesserung bzw. Erhaltung der Funktionstüchtigkeit, von der die Erwerbsfähigkeit abhängt, medizinische Vorkehren notwendig sind (ZAK 1977 S. 230). Dagegen hat die Invalidenversicherung nicht für stationäre Physiotherapie aufzukommen, wenn eine fortgesetzte ambulante Physiotherapie für sich allein schon die - nicht mehr weiter zu bessernden - motorischen Funktionen zu erhalten verspricht. Im allgemeinen kann von regelmässiger, stationär durchzuführender Physiotherapie nicht erwartet werden, dass sie die Funktionstüchtigkeit, von der die Erwerbsfähigkeit abhängt, offensichtlich zu verbessern oder zu
BGE 108 V 217 S. 219
erhalten vermag. Dies ergibt sich im wesentlichen aus dem von Prof. Mumenthaler dem Eidg. Versicherungsgericht am 12. September 1977 erstatteten einlässlichen Gutachten über die Zweckmässigkeit jährlicher Badekuren bei Lähmungspatienten (ZAK 1978 S. 463). Die Rechtsprechung hat jedoch anerkannt, dass stationäre Physiotherapie in gewissen Fällen von der Invalidenversicherung zu übernehmen ist, wenn die ambulante Durchführung der Massnahme nicht zumutbar wäre, weil eine besonders intensive ambulante Therapie erforderlich ist oder die ambulante Behandlung infolge spezieller Verhältnisse des Versicherten nicht durchgeführt werden kann (nicht veröffentlichte Urteile Waldis vom 25. April 1980 und Dober vom 25. März 1980).
c) Aufgrund dieser Erwägungen hat das Eidg. Versicherungsgericht die bisherige Rechtsprechung dahin präzisiert, dass - beim Vorliegen der für den Anspruch auf Physiotherapie erforderlichen Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 3 IVV - in der Regel ambulante Physiotherapie die einfache und zweckmässige Massnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 1 IVV darstellt, um die motorische Funktionstüchtigkeit, von der die Erwerbsfähigkeit abhängt, offensichtlich zu verbessern oder zu erhalten. Ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigt sich dann, wenn eine besonders intensive Therapie erforderlich ist, welche den Rahmen der Möglichkeiten fortgesetzter und regelmässiger ambulanter Behandlung qualitativ und quantitativ sprengt. Dies ist nicht der Fall, wenn eine fortgesetzte ambulante Physiotherapie für sich allein schon die - in der Regel nicht mehr weiter zu bessernden - motorischen Funktionen zu erhalten verspricht. Ein Abweichen rechtfertigt sich ferner dann, wenn die fortgesetzte ambulante Behandlung infolge spezieller beruflicher oder persönlicher Verhältnisse des Versicherten nicht oder nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand durchgeführt werden kann. Der Umstand allein, dass ein Versicherter an den Rollstuhl gebunden ist und mithin für die ambulante Physiotherapie mit erhöhtem Aufwand zu rechnen hat, rechtfertigt nicht von vornherein schon ein Abgehen von der Regel. Denn sonst hätte die Invalidenversicherung Versicherten, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 3 IVV generell stationäre Physiotherapie zu gewähren.

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